„Unternehmerische Resilienz“: Gerüstet für die Krise
Hätte der Autor Uwe Rühl sein Management-Buch Unternehmerische Resilienz: So werden Organisationen agil und widerstandsfähig ein paar Monate später geschrieben, so hätte er als einleitendes Beispiel für unvorhersehbare Katastrophen vielleicht die aktuelle Corona-Pandemie – und nicht Nine-Eleven – gewählt. Gleich zu Beginn heißt es:
„Schauen wir auf die Jahreszahlen. Es gibt sie – die Frequenz, mit der Katastrophen jeder Couleur sich vollziehen.“
Und in der Tat erleben wir momentan ein neues Schreckensszenario, das sicherlich nicht an den Ereignissen von Nine-Eleven gemessen werden kann, mit dem aber vermutlich ebenfalls wenige gerechnet hatten – und das nun manche Unternehmen mangels Vorbereitung derart hart trifft, dass um die blanke Existenz gebangt werden muss. Genau darum geht es in Rühls Buch: um die richtige Vorbereitung auf den Ernstfall, um das bestmögliche Abfedern von bedrohlichen Ereignissen einer unwägbaren Realität. Denn so viel steht fest: Verhindern oder gar voraussehen lässt sich heutzutage wenig; sich für das Eintreten von Katastrophen aller erdenklichen Art zu rüsten und darauf souverän gefasst zu sein, ist allerdings möglich, um nicht zu sagen: notwendig. Heute scheinbar mehr denn je.
Inhalt: Managementkompetenzen in VUKA-Zeiten
VUKA? Immer wieder taucht dieses Akronym im Buch auf, von „Vuka-Zeiten“ oder der „VUKA-Welt“ ist die Rede. Was bedeutet es? Es fasst alle vier Faktoren der neuen Umwelt, wie Rühl sie sieht, zusammen. Unternehmen müssen sich diese vergegenwärtigen, um ihr Risikomanagement darauf stützen zu können:
- Volatilität: Veränderungen kommen überraschend und schnell, daher ist fraglich, ob eine vorausschauende Planung noch lohnenswert ist.
- Unsicherheit: Die Unsicherheit ist Teil des Spiels und damit auch des unternehmerischen Alltags geworden.
- Komplexität: Globalisierung und digitale Transformationen haben die Welt und die darin wirkenden Regeln unüberschaubar gemacht.
- Ambivalenz: Den einen sicheren Weg findet man heute kaum noch, zu viele Widersprüche beherrschen den Lauf der Dinge.
Im weiteren Verlauf arbeitet Rühl anhand von ausgewählten Storys aus der echten Unternehmenspraxis, die allesamt anschaulich erzählt sind, die notwendigen Kompetenzen moderner Führungskräfte heraus, indem er jeden Fall am Ende eines Kapitels genauer unter die Lupe nimmt und dabei herausstellt, was jeweils richtig und was falsch gemacht wurde. Der Leser und die Leserin können sich so selbst ein Bild davon machen, was auf ihr Unternehmen übertragbar ist und was dieses resilienter machen könnte. Rühl kommt schließlich auf insgesamt vier Erfolgsfaktoren, die da wären:
- ein ausgeprägter Realitätssin,
- der Glaube an eine tiefere Bedeutung der eigenen Existenz,
- eine fast schon „unheimliche“ Improvisationsfähigkeit,
- und die Einstellung, Resilienz wirklich zu wollen.
Aufbau: Von der Theorie in die Praxis
Das Buch gliedert sich in insgesamt sieben Kapitel mit je drei Unterkapiteln: Im ersten Kapitel wird zunächst der Kontext geklärt, in dem sich resiliente Organisationen behaupten müssen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem schwer berechenbaren, aber unentbehrlichen Faktor Mensch innerhalb dieser Organisationen. Im dritten Kapitel geht es ganz konkret um die Maßnahmenplanung – und damit auch um die Frage, warum unternehmerische Resilienz mehr als „nur“ Risikomanagement ist. Das vierte Kapitel setzt sich mit den verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen auseinander, die im Ernstfall hilfreich sein können. Das fünfte Kapitel zeigt das Vorgehen im alltäglichen Betrieb auf und wie sich das Krisenhandwerk erlernen lässt. Im sechsten Kapitel werden dem Leser und der Leserin Ratschläge an die Hand gegeben, mit denen sich die Leistungsfähigkeit anhand einiger Zahlen überprüfen lässt. Das siebte und letzte Kapitel behandelt das richtige Korrigieren und Dazulernen im Rahmen bereits getesteter Maßnahmen.
Fazit: Praxisbuch mit Tiefgang
Das Buch besticht insbesondere durch seine Bemühungen, Theorie und Praxis in einem ausgewogenen Verhältnis zusammen zudenken. So lässt sich innerhalb der Kapitel immer eine Art Dreischritt erkennen, der Leserinnen und Leser von einer Analyse des Status Quo („Nachrichten aus der Normalwelt“) über Theoriegedanken („Das Resilienz-Rezept“) bis hin zu konkreten Handlungsvorschlägen für die Praxis führt. Damit ist das Buch sicherlich nicht als seichte Lektüre für zwischendurch zu empfehlen, sondern eher als wortwörtliches Arbeitsbuch, in das es sich hineinzudenken lohnt. Die lockere Sprache kommt der Lesbarkeit zugute und belebt so manch trockenes Themenfeld, ohne dabei in einen banalen Ton zu verfallen, der der Ernsthaftigkeit des Stoffs nicht mehr gerecht werden würde.
Zudem lässt sich positiv hervorheben, dass Rühl mit seinen Meinungen zu keinem Zeitpunkt die Deutungshoheit in einem derart komplexen Fachgebiet beansprucht, sondern – im Gegenteil – hier und da per QR-Code auf andere relevante Quellen verweist, die dem Leser und der Leserin einen zweiten Blickwinkel öffnen. Grafiken und Zitate runden den Eindruck eines sorgfältig recherchierten und zugleich praxistauglichen Werkes ab. Klare Kaufempfehlung!
Quelle: https://unternehmer.de/rezension/250342-unternehmerische-resilienz-rezension